Gasthörern ist in den Universitäten der Zutritt zu den Vorlesungen nur zu gestatten, wenn sie Urkunden vorlegen, die ihre arische Abstammung beweisen. (Walk, S. 248)
Bei jüdischen Wirtschaftsprüfern und vereidigten Bücherrevisoren, die zur Zeit noch öffentlich bestellt sind, ist die Bestellung mit Wirkung zum 31. Dezember 1938 durch die zuständigen Stellen zu widerrufen. (AdG, S. 3840)
Herschel Grynszpan schießt in Paris auf den deutschen Diplomaten Ernst von Rath, der zwei Tage später an den Verletzungen stirbt. Propagandaminister Goebbels weist die Presse sofort an, die Nachricht von dem Attentat in großer Aufmachung zu bringen und "die schwersten Folgen für die Juden in Deutschland"
anzukündigen.
Grynszpans Verwandte waren unter den Ende Oktober aus Deutschland nach Polen abgeschobenen Juden. Ein Bericht darüber, den er von ihnen erhalten hatte, hatte ihn zu der Tat motiviert.
"Der polnische Botschafter wollte heute bei mir die nach seiner Behauptung festgefahrenen deutsch-polnischen Besprechungen über die Behandlung der polnischen Juden in Deutschland wieder flottmachen. Ich habe Lipski gesagt, meines Wissens seien die Besprechungen nicht abgebrochen und nicht in einem solchen Stadium, daß zwischen uns beiden heute der Knoten durchhauen werden müßte. Die akute Frage, nämlich wie mit den von uns Abgeschobenen zu verfahren sei, stehe doch unmittelbar vor der Lösung. Wegen der in Deutschland noch verbleibenden polnischen Juden sähe ich die Lösung zwar auch noch nicht vor Augen. (...)
Worauf wir uns bestimmt nicht einlassen könnten, sei, daß uns im Wege der Ausbürgerung ein Klumpen von 40-50.000 staatenlosen ehemaligen polnischen Juden in den Schoß fiele. (...)
Im übrigen möge Lipski einmal den Fall von Rath betrachten. Ich würde mich nicht wundern, wenn dieser Vorgang noch zu einer ganz erheblichen Verschärfung der deutschen Maßnahmen gegen die polnischen Juden führte." (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 95)
"Es ist klar, daß das deutsche Volk aus dieser neuen Tat Seine Folgerungen ziehen wird. Es ist ein unmöglicher Zustand, daß in unseren Grenzen Hunderttausende von Juden noch ganze Ladenstraßen beherrschen, Vergnügungsstätten bevölkern und als 'ausländische' Hausbesitzer das Geld deutscher Mieter einstecken."
"Reichskristallnacht"
Pogromnacht nach dem Tod des am 7. November angeschossenen, am 9. November nachmittags verstorbenen deutschen Diplomaten Ernst von Rath in Paris.
Mindestens 91 Juden werden bei den Angriffen der Nationalsozialisten getötet. Ungefähr 20.000 Juden werden festgenommen und auf die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Sachsenhausen verteilt.
(Kurz nach Mitternacht) Rundschreiben der Gestapo-Zentrale an die Polizeichefs in ganz Deutschland:
"Auf Grund des Attentats sind im Laufe der heutigen Nacht im ganzen Reich Demonstrationen gegen die Juden zu erwarten. Für die Behandlung dieser Vorgänge ergehen die folgenden Anordnungen:
1. Die Leiter der Staatspolizeistellen oder ihre Stellvertreter haben sofort nach Eingang dieses Fernschreibens mit den für ihren Bezirk zuständigen politischen Leitungen (der NSDAP) - Gauleitung oder Kreisleitung - fernmündlich Verbindung aufzunehmen und eine Besprechung über die Durchführung der Demonstrationen zu vereinbaren, zu der der zuständige Inspekteur oder Kommandeur der Ordnungspolizei zuzuziehen ist. In dieser Besprechung ist der politischen Leitung mitzuteilen, daß die Deutsche Polizei vom Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei (Himmler) die folgenden Weisungen erhalten hat, denen die Maßnahmen der politischen Leitungen zweckmäßig anzupassen wären:
a) Es dürfen nur solche Maßnahmen getroffen werden, die keine Gefährdung deutschen Lebens oder Eigentums mit sich bringen (z.B. Synagogenbrände nur, wenn keine Brandgefahr für die Umgebung vorhanden ist),
b) Geschäfte und Wohnungen von Juden dürfen nur zerstört, nicht geplündert werden. Die Polizei ist angewiesen, die Durchführung dieser Anordnungen zu überwachen und Plünderer festzunehmen." (IMT, PS-3051)
"Die berechtigte und verständliche Empörung des deutschen Volkes über den feigen jüdischen Meuchelmord (...) hat sich in der vergangenen Nacht in umfangreichem Maße Luft verschafft. In zahlreichen Städten und Orten des Reiches wurden Vergeltungsaktionen gegen jüdische Gebäude und Geschäfte vorgenommen.
Es ergeht nunmehr an die gesamte Bevölkerung die strenge Aufforderung, von allen weiteren Demonstrationen und Aktionen gegen das Judentum, gleichgültig welcher Art, sofort abzusehen. Die endgültige Antwort auf das jüdische Attentat in Paris wird auf dem Wege der Gesetzgebung, bzw. der Verordnung dem Judentum erteilt werden." (AdG, S. 3806)
Der Ministerrat nimmt die "Provvedimenti per la difesa della razza Italiana"
(Verordnungen zur Verteidigung der italienischen Rasse) an. Sie entsprechen im Wesentlichen den Maßnahmen, die der Faschistische Große Rat am 6. Oktober 1938 beschlossen hatte.
Als Juden im Sinne dieses Gesetzespakets gelten auch verschiedene Kategorien von "Halbjuden"
. So z.B. Kinder einer jüdischen Mutter, wenn der Vater nicht bekannt ist, und Angehörige der jüdischen Religionsgemeinschaft.
"arischen"Dienstboten beschäftigen.
Der Reichserziehungsminister weist die Rektoren der deutschen Universitäten an, jüdische Studenten sofort zu beurlauben und ihnen das Betreten der Hochschule zu untersagen. Zugleich wird jüdischen Schülern mit sofortiger Wirkung der Besuch "deutscher Schulen"
verboten. (AdG, S. 3807-3808)
Das betrifft in der Praxis nur noch wenige Kinder und Jugendliche, da die "Rassentrennung im Schulwesen"
ohnehin schon weitgehend durchgeführt worden war.
"betr. Aktion gegen die Juden"
"Der Umfang der Zerstörungen jüdischer Geschäfte und Wohnungen läßt sich bisher ziffernmäßig noch nicht belegen. Die in den Berichten aufgeführten Ziffern: 815 zerstörte Geschäfte, 29 in Brand gesteckte oder sonst zerstörte Warenhäuser, 171 in Brand gesetzte oder zerstörte Wohnhäuser, geben, soweit es sich nicht um Brandlegungen handelt, nur einen Teil der wirklich vorliegenden Zerstörungen wieder. Wegen der Dringlichkeit der Berichterstattung mußten sich die bisher eingegangenen Meldungen lediglich auf allgemeinere Angaben, wie 'zahlreiche' oder 'die meisten Geschäfte zerstört', beschränken. Die angegebenen Ziffern dürften daher um ein Vielfaches überstiegen werden.
An Synagogen wurden 191 in Brand gesteckt, weiterere 76 vollständig demoliert. Ferner wurden 11 Gemeindehäuser, Friedhofskapellen und dergleichen in Brand gesetzt und weitere 3 völlig zerstört.
Festgenommen wurden rund 20.000 Juden, ferner 7 Arier und 3 Ausländer. Letztere wurden zur eigenen Sicherheit in Haft genommen.
An Todesfällen wurden 36, an Schwerverletzten ebenfalls 36 gemeldet. Die Getöteten, bezw. Verletzten sind Juden. Ein Jude wird noch vermißt." (IMT, PS-3058)
Göring teilt mit, daß nach dem Willen Hitlers "die Judenfrage jetzt einheitlich zusammengefaßt werden soll und so oder so zur Erledigung zu bringen ist."
- Hitler habe ihm den Auftrag gegeben, "jetzt die entscheidenden Schritte zentral zusammenzufassen"
. Da das Problem vor allem ein wirtschaftliches sei, müsse auf diesem Gebiet der Hebel angesetzt werden.
Heydrich wendet ein, daß neben den wirtschaftlichen Aspekten "das Grundproblem"
letzten Endes doch die Vertreibung und Verdrängung der Juden aus Deutschland bleibe. In der letzten Zeit seien nur 19.000 jüdische Menschen aus dem Altreich ausgewandert, aber 50.000 aus Österreich. Dort habe man bei der jüdischen Gemeinde einen bestimmten Geldbetrag eingetrieben, um damit die Auswanderung ärmerer Juden zu finanzieren. Erforderlich sei eine systematische "Auswanderungsaktion"
für das ganze Deutsche Reich, die auf mindestens acht bis zehn Jahre angelegt sein müsse. Da die meisten Juden durch die Berufsverbote und Enteignungen erwerbslos werden, drohe eine "Verproletarisierung"
der vorerst noch in Deutschland Bleibenden. "Ich muß also in Deutschland solche Maßnahmen treffen, daß sie auf der einen Seite den Juden isolieren, damit er nicht in den normalen Lebenskreis des Deutschen eintritt. Ich muß aber auf der anderen Seite Möglichkeiten schaffen, die den Juden auf einen engsten Kundenkreis beschränken, aber eine bestimmte Betätigung zulassen, in der Rechtsanwaltsfrage, Arztfrage, Friseurfrage usw."
Zur Isolierung der Juden sollte eine Kennzeichnung eingeführt werden. Göring äußert die Ansicht, daß man nicht umhin kommen werde, "in ganz großem Maßstab in den Städten zu Ghettos zu kommen."
- Heydrich meint dagegen: "Das Ghetto in der Form vollkommen abgesonderter Stadtteile, wo nur Juden sind, halte ich polizeilich nicht für durchführbar. Das Ghetto, wo der Jude sich mit dem gesamten Judenvolk versammelt, ist in polizeilicher Hinsicht unüberwachbar. Es bleibt der ewige Schlupfwinkel für Verbrechen und vor allen Dingen von Seuchen und ähnlichen Dingen. (...) Die Kontrolle der Juden durch das wachsame Auge der gesamten Bevölkerung ist besser, als wenn Sie die Juden zu Tausenden und aber Tausenden in einem Stadtteil haben, wo ich durch uniformierte Beamte eine Überwachung des täglichen Lebenslaufes nicht herbeiführen kann."
Göring: "Wenn das Deutsche Reich in irgendeiner absehbaren Zeit in außenpolitischen Konflikt kommt, so ist es selbstverständlich, daß auch wir in Deutschland in allererster Linie daran denken werden, eine große Abrechnung an den Juden zu vollziehen. Darüber hinaus wird der Führer jetzt endlich einen außenpolitischen Vorstoß machen zunächst bei den Mächten, die die Judenfrage aufgeworfen haben, um dann tatsächlich zur Lösung der Madagaskar-Frage zu kommen. Das hat er mir am 9. November auseinandergesetzt. Es geht nicht mehr anders. Er will auch den anderen Staaten sagen: 'Was redet ihr immer von den Juden? - Nehmt sie!' - Dann kann man noch einen Vorschlag machen: die reichen Juden können in Nordamerika, Kanada oder sonstwo ein großes Territorium für ihre Glaubensgenossen kaufen."
Die Konferenz stimmt mehreren Gesetzesverordnungen zu. Außerdem wird Juden generell der Besuch von Theatern, Kinos, Konzerten und sonstigen kulturellen Veranstaltungen verboten - soweit es sich nicht um exklusiv jüdische Veranstaltungen handelt. Weitere Beschränkungen und Aufenthaltsverbote betreffen Kurorte, Bäder und Waldgebiete. Die "Arisisierung" der Wirtschaft soll beschleunigt vorangetrieben werden. Die zuständigen Ressorts sollen die Möglichkeit prüfen, Juden zur Zwangsarbeit zu verpflichten. (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 649; IMT, PS-1816)
Außenminister Ribbentrop verlangt einen Bericht über den Stand der deutsch-polnischen Verhandlungen über die Abschiebung polnischer Juden aus Deutschland, "um dem Führer beweisen zu können, daß die Einstellung der Massenabschiebungen auf Grund des rigorosen Vorgehens der Polen und vor allem auf Wunsch innerdeutscher Stellen (bitte Angaben welcher Stellen) erfolgt ist und daß es sich hier nicht um eine Schlappheit des Auswärtigen Amtes handelt, von der schon wieder einige Leute faseln, sondern um den Wunsch innerdeutscher Stellen (Gestapo selber)."
(ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 97)
Im Reichsgesetzblatt werden die Verordnungen "zum Schutz der deutschen Rasse"
verkündet.Es handelt sich um:
"Sühneleistung"der Juden deutscher Staatsangehörigkeit. Ihnen wird
"in ihrer Gesamtheit"eine Zahlung von einer Milliarde RM auferlegt. (RGBl I, S. 1579)
"soweit diese infolge der Überführung eines jüdischen Gewerbebetriebes in nichtjüdischen Besitz, zur Liquidation jüdischer Geschäftsbetriebe oder in besonderen Fällen zur Sicherstellung des Bedarfes erforderlich sind."(RGBl I, S. 1580)
"Alle Schäden, welche durch die Empörung des Volkes über die Hetze des internationalen Judentums gegen das nationalsozialistische Deutschland am 8., 9. und 10. November 1938 an jüdischen Gewerbebetrieben und Wohnungen entstanden sind, sind von dem jüdischen Inhaber oder jüdischen Gewerbetreibenden sofort zu beseitigen."
"Versicherungsansprüche von Juden deutscher Staatsangehörigkeit werden zugunsten des Reiches beschlagnahmt."(RGBl I, S. 1581)
Für die nächste Zeit seien weitere antijüdische Maßnahmen zu erwarten. Ziel sei, die Juden aus dem wirtschaftlichen Leben zu entfernen, damit es nicht wieder Zusamenstöße gebe. Deutschland wolle die Juden durch die getroffenen Maßnahmen kulturell nicht vernichten; sie sollen ihre eigene Kultur pflegen. Die Regierung wolle eine reinliche Scheidung zwischen Deutschen und Juden.
Die Beantwortung der Frage, ob die neuen Maßnahmen das jüdische Problem in Deutschland endgültig lösen würden, hänge vom Judentum selbst ab: davon, ob die Juden die Stellung im öffentlichen Leben einzunehmen gewillt seien, die die Regierung ihnen zubilllige, nämlich die einer fremden Rasse, von der man wisse, daß sie dem deutschen Volk ablehnend gegenüberstehe. Versuchten die Juden wieder durch die Maschen der neuen Gesetze hindurchzuschlüpfen, so werde es weitere Gesetze geben.
Es bestehe keine Absicht, die Juden in bestimmte Stadtviertel zusammenzudrängen, aber es seien natürlich Maßnahmen zu erwarten, um dem unmöglichen Zustand ein Ende zu machen, daß Judenfamilien mit zwei bis drei Personen 20 bis 30 Zimmer bewohnten, während angemessener Wohnraum für deutsche Volksgenossen noch fehle. Die Juden könnten ihre Geschäfte verkaufen, von ihren Renten leben oder sich nutzbringender Arbeit zuwenden. Würden die Juden jedoch weiterhin provozieren und die Lage verschärfen, müßte auch diese Tätigkeit eingeschränkt werden.
Deutschland sei nur daran interessiert, daß die Juden das Land verlassen. Es werde ihnen gestattet, einen gewissen Prozentsatz ihres Vermögens mitnehmen, aber nur im Rahmen des deutschen Devisenvorrats. Auf ausländisches Kapital und ausländische Unternehmen in Deutschland würden die Maßnahmen selbstverständlich nicht angewendet werden. (nach AdG, S. 3808)
Als amtliche Mitteilung verlautet: "Dr. Goebbels hat in seiner Eigenschaft als Präsident der Reichskulturkammer mit sofortiger Wirkung allen Theaterleitern, Konzert- und Vortragsveranstaltern, Filmtheaterunternehmern, artistischen Unternehmern, Veranstaltern von Tanzvorführungen und Veranstaltern öffentlicher Ausstellungen kultureller Art untersagt, jüdischen Personen den Besuch ihrer Unternehmen zu gestatten. Übertretungen ziehen für die Veranstalter und besonders für die Juden schwere Strafen nach sich."
(AdG, S. 3806)
Der Chefs der Sicherheitspolizei, Heydrich, verbietet den Wiederaufbau der zerstörten oder ausgebrannten Synagogen.
915 österreichische Juden werden in das KL Dachau eingeliefert. (Benz, Dimension, S. 88)
Der Wiener Polizeipräsident ordnet "zur Vermeidung der Tarnung jüdischer Geschäfte"
an, daß Handelsgeschäfte und Gewerbebetriebe in jüdischem Besitz bis spätestens zum 15. November 1938 in der Weise zu kennzeichnen sind, daß neben dem Wortlaut der Firma, dem Namen des Inhabers oder der sonstigen Bezeichnung in gleich großen Schriftzeichen dieselben Worte in hebräischer Sprache anzubringen sind. (AdG, S. 3805)
Per Dekret wird angeordnet, daß eingebürgerten Juden bei "Unwürdigkeit" die Staatsbürgerschaft wieder aberkannt werden kann.
Der nationalsozialistische Gauleiter in der Freien Stadt Danzig, Forster, kündigt den Ausschluß der Juden aus der Wirtschaft an. Wie im Reich werde es auch in Danzig eine "Generalabrechnung mit den Juden"
geben. Danzig sei kein Asyl für aus Berlin, Prag oder Warschau herausgeschmissene Juden. - Die Polizei verhaftet in den folgenden Tagen zahlreiche Juden.
"Ich gebe Weisung heraus, daß Juden Besuch von Kinos und Theatern verboten ist. Das war notwendig und zweckmäßig. Meine Erklärungen vor der Auslandspresse werden in der ganzen Welt groß herausgebracht. Sie fassen alle meine Argumente zusammen. Wir sind schon wieder in der Offensive. (...)
Heydrich gibt einen Bericht über die Aktionen. 190 Synagogen verbrannt und zerstört. Das hat gesessen. Konferenz bei Göring über die Judenfrage. Heiße Kämpfe um die Lösung. Ich vertrete einen radikalen Standpunkt. Funk ist etwas weich und nachgiebig. Ergebnis: die Juden bekommen eine Kontribution von einer Milliarde auferlegt. Sie werden in kürzester Frist gänzlich aus dem wirtschaftlichen Leben ausgeschieden. Sie können keine Geschäfte mehr betreiben. Bekommen dafür nur Schuldbuchverrechnungen zu 6%. Die Schäden müssen sie selbst decken. Versicherungsbezüge verfallen dem Staate. Noch eine ganze Reihe dieser Maßnahmen geplant. Jedenfalls wird jetzt tabula rasa gemacht. Ich arbeite großartig mit Göring zusammen. Er geht auch scharf heran. Die radikale Meinung hat gesiegt. Ich setze für die Öffentlichkeit ein sehr scharfes Communiqué auf. Das wirkt wie eine Erlösung. Die große Sensation des Tages. Der Tote kommt den Juden teuer zu stehen." (Fröhlich I, Bd. 3, S. 533)
Einlieferung von 594 österreichischen Juden in das KL Dachau. (Benz, Dimension, S. 88)
Aufzeichnung Woermanns, Leiter der Politischen Abteilung im Auswärtigen Amt:
Der österreichische Minister für Wirtschaft, Arbeit und Finanzen, Fischböck, habe ihn aufgesucht und folgendes vorgebracht: In der Besprechung am 11. November habe Göring die Förderung der jüdischen Auswanderung verlangt und dabei auch eine Zusammenarbeit mit Treuhandorganisationen im Ausland ins Auge gefaßt. Heute habe er, Fischböck, aufgrund eines Auftrags von Göring eine Besprechung mit dem Reichswirtschaftsminister, dem Reichsfinanzminister und mit Staatssekretär Stuckart vom Reichministerium des Innern gehabt. Dabei sei erörtert worden, ob man das Gesprächsangebot Rublee's vom Evian-Komitee nicht doch annehmen solle. Alle Anwesenden hätten dies befürwortet.
Fischböck habe sich selbst als Gesprächspartner für Rublee vorgeschlagen, da er aufgrund seiner Wiener Erfahrungen ein Experte auf diesem Gebiet sei. Woermann empfiehlt Außenminister Ribbentrop, den Vorschlag Fischböcks anzunehmen, vorbehaltlich der Billigung der befaßten Stellen, einschließlich der Gestapo. (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 650)
Ribbentrop erklärte sich zwei Tage später mit einem Treffen zwischen Rublee und Fischböck einverstanden. Dieses sollte jedoch in privater Form und weder in Berlin noch in London stattfinden. (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 650 Fußnote)
"1.) Juden, welche bereits im Besitz der erforderlichen Ausreisepapiere sind und in den nächsten 3 Wochen auswandern können, sind, sofern nicht besondere politische oder wirtschaftliche Gründe dem entgegenstehen, so rechtzeitig zu entlassen, daß sie ihren Auswanderungstermin einhalten können.
2.) Weiter können Juden, die zur Durchführung der Arisierung ihres Betriebes oder Geschäftes unbedingt benötigt werden, kurzfristig aus der Schutzhaft beurlaubt werden. Es sind jedoch nur solche Fälle zu berücksichtigen, die besonders dringlich erscheinen. - Die Durchführung der Arisierung ist allerdings zunächst kein Grund, von der etwa noch beabsichtigten Inschutzhaftnahme der Juden abzusehen." (BA, R 58/276, Bl. 142)
Reichserziehungsminister Rust ordnet an, Juden die Teilnahme an Vorlesungen und Übungen sowie das Betreten der Hochschulen generell zu untersagen. Die Rassentrennung im Schulwesen sei zwar in den letzten Jahren im allgemeinen bereits durchgeführt worden, doch sei ein Restbestand jüdischer Schüler übriggeblieben, dem jetzt der gemeinsame Schulbesuch mit deutschen Kindern mit sofortiger Wirkung verboten wird. "Nach der ruchlosen Mordtat von Paris kann es keinem deutschen Lehrer und keiner deutschen Lehrerin mehr zugemutet werden, an jüdische Schulkinder Unterricht zu erteilen. Auch versteht es sich von selbst, daß es für deutsche Schüler und Schülerinnen unerträglich ist, mit Juden in einem Klassenraum zu sitzen."
(AdG, S. 3807-3808)
"Die neuen Judengesetze beherrschen vollkommen Presse und öffentliche Meinung. Das deutsche Volk ist ganz damit einverstanden. Das Ausland registriert vorläufig nur. Die schäumenden Kommentare werden gewiß noch nachgeliefert. Die deutsche Presse leistet prachtvolle Hilfestellung. Sie weiß, worum es geht. Mittags esse ich mit den W.H.W. (Winterhilfswerk) Helfern im Wedding Eintopf. Eine tolle Stimmung. Ich spreche über die Judenfrage. Erläutere die neuen Gesetze. Knüpfe daran eine sehr ernste Mahnung zur Ruhe und gegen weitere Aktionen, die nun nur noch das deutsche Volksvermögen schädigen können. Alles wird mit größtem Verständnis aufgenommen." (Fröhlich I, Bd. 3, S. 534)
Telegramm des deutschen Botschafters in Washington, Dieckhoff, an das Auswärtige Amt:
"Augenblicklich tobt hier ein Orkan, der eine ruhige Arbeit unmöglich macht"
, doch glaube er, daß dieser in absehbarer Zeit nachlassen werde. Ein großer Teil der amerikanischen Presse habe schon lange Deutschland "in gehässigster und übelster Weise angegriffen"
, und diese "Hetze"
habe "ziemlich weite Kreise erfaßt"
. "Bis zum 10. November hatten sich aber noch sehr große und starke Schichten des amerikanischen Volkes teils aus Indifferenz gegenüber europäischen Dingen, teils aus Skepsis gegenüber den Zeitungen, teils aus Sympathie für das Dritte Reich, in dem sie einen Hort der Ordnung und ein Bollwerk gegen die Ausschreitungen und gegen die ungesetzlichen Eingriffe in das Privateigentum erblickten, von dieser Hetze freigehalten. Das ist heute nicht mehr so. Es gibt zwar sicher noch weite Kreise, die indifferent sind, und es gibt sicher noch viele einzelne Persönlichkeiten, die die Ruhe bewahren, aber soweit eine öffentliche Meinung zum Ausdruck kommt, spricht sie sich ausnahmslos erregt und erbittert gegen Deutschland aus. Dabei handelt es sich hier nicht etwa nur um Juden, sondern der Aufschrei kommt aus allen Lagern und Schichten in gleicher Stärke einschließlich dem Lager der Deutschamerikaner. Was mir besonders auffällt, ist, daß mit wenig Ausnahmen die anständigen nationalen Kreise, die durchaus antikommunistisch und zum großen Teil antisemitisch eingestellt sind, anfangen sich von uns abzuwenden."
"Gerade die Rückwirkung auf England, wo den Zeitungen zufolge eine ähnliche Erregung herrscht wie hier und wo, wenn die Presse richtig berichtet, die nationalen für Deutschland bisher Verständnis zeigenden Kreise ebenso verstimmt sind wie in den Vereinigten Staaten, wird hier sehr beachtet; unser bisheriges gegenüber der amerikanischen Hetze und Friedens-Sabotage vorgebrachtes Argument, daß die Europäer seit München im Begriff seien, gemeinschaftlich ein neues friedliches Europa aufzubauen, wird ad absurdum geführt oder mindestens stark entwertet.
(ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 501)
In dieser allgemeinen Haßstimmung hat auch der Gedanke des Boykotts gegen deutsche Waren wieder neuen Auftrieb erhalten, und an wirtschaftliche Verhandlungen ist augenblicklich nicht zu denken."
Einlieferung von 1.021 österreichischen Juden in das KL Dachau. (Benz, Dimension, S. 88)
Die Genehmigung von Rechtsgeschäften, durch die land- und forstwirtschaftliche Grundstücke, die bisher in jüdischer Hand waren, veräußert werden, ist bis zum Erlaß einer weiteren Anordnung zurückzustellen. (Walk, S. 256)
Eine Verordnung vom 2. November wird veröffentlicht, die Juden vom Beamtentum ausschließt. (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 672 Fußnote)
Telegramm von Botschafter Dieckhoff, Washington, an Staatssekretär von Weizsäcker, Ausw. Amt:
"Daß die Presse noch übler ist als bisher (soweit das möglich ist), ist nicht verwunderlich. Aber sehr bedauerlich ist, daß nun auch die ruhigen und anständigen Kreise eine ablehnende Haltung einnehmen. (...) Am bedauerlichsten scheint mir zu sein, daß offenbar die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und England infolge dieser Vorkommnisse auf vermehrte Hindernisse stößt, was ja - wie ich immer berichtet habe - sofort hier bemerkt wird und die hiesige Stimmung verdirbt. Die guten Ansätze für einen allmählich immer breiter werdenden Antisemitismus haben durch die Grünspan-Vorkommnisse einen bösen Rückschlag erlitten; selbst die schärfsten Antisemiten hier im Lande legen Wert darauf, sich von derartigen Methoden zu distanzieren." (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 502)
Einlieferung von 1.185 österreichischen Juden in das KL Dachau.
Bis zum 16. November wurden allein in Wien 6.547 Personen festgenommen; laut Gestapobericht wurden 3.700 von ihnen nach Dachau überstellt. (Benz, Dimension, S. 88)
Zwischen dem 16. und 20. November finden in verschiedenen Teilen des Landes judenfeindliche Kundgebungen und Gewalttaten statt, die von der faschistischen "Eisernen Garde"
ausgehen. In Czernowitz wird angeordnet, daß Juden nur rumänisch sprechen dürfen. Für die als staatenlos erklärten Juden wird eine Sondersteuer eingeführt. (AdG, S. 3843)
"Vorgestern: Immer noch tolle Judenhetze in der Welt. Chamberlain gibt im Unterhaus eine gewundene Erklärung zur Judenfrage ab. Er muß auf uns und auf Seine Opposition Rücksicht nehmen. Aber die Juden schimpfen furchtbar in der Weltpresse. Ich lasse in der deutschen Presse scharf und mit viel Material gegen die englische Palästinapolitik polemisieren. Das tut den Engländern weh und gibt uns eine gewisse Entlastung. (...)
Der Papst schwätzt sich über die italienische Ehegesetzgebung aus. Er will die Rassenfrage darin nicht anerkennen. Aber das wird Mussolini nicht sonderlich interessieren. (...)Nachmittags kommt der Führer. Er ist gut in Stimmung. Scharf gegen die Juden. Billigt ganz meine und unsere Politik. Auch mit unseren Angriffen gegen London bzgl. Palästina ist er einverstanden." (Fröhlich I, Bd. 3, S. 535-536)
Premier Chamberlain gibt im britischen Unterhaus bekannt, daß Seine Regierung an die Gouverneure mehrerer Kolonien, darunter auch Tanganyika, eine dringende Anfrage über die Möglichkeit der Unterbringung von deutschen Flüchtlingen gerichtet hat.
Finanzminister Simon erklärt, daß die Hoffnungen auf ein besseres Einvernehmen mit Deutschland durch die Ereignisse der letzten Tage erschüttert worden seien. (Archiv d. G., S. 3812)
Gespräch Außenminister Ribbentrops mit dem südafrikanischen Wirtschafts- und Verteidigungsminister Pirow.
Pirow betont, daß er auf enge Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland großen Wert lege. Leider bereite ihm die Behandlung der Judenfrage in Deutschland große Schwierigkeiten. Die anderen Länder müßten sich bereit erklären, die deutschen Juden soweit wie möglich aufzunehmen, allerdings sei das nur möglich, wenn diese über einen Teil ihres Kapitals verfügen könnten. Vielleicht könne man eine Lösung in der Richtung suchen, daß das in Deutschland befindliche jüdische Kapital von ausländischer Seite beliehen und in gewissen Raten freigegeben würde. (ADAP, Serie D, Bd. IV, Nr. 270)
"Wir behandeln in der deutschen Presse ausführlich das Palästina-Problem. Das ist den Engländern sehr unangenehm. Die Juden hetzen weiter in aller Welt, besonders in Amerika. Roosevelt gibt eine freche und dummdreiste Erklärung in dieser Frage ab. Aber keiner will die Juden nehmen, nur in Schutz. Ich lasse nun für Presse, Rundfunk und Versammlung einen großen antisemitischen Feldzug vorbereiten. Wir werden uns schon zur Wehr setzen. In einer Woche soll er gestartet werden." (Fröhlich I, Bd. 3, S. 537)
Der niederländische Ministerpräsident Cloijn beantwortet im Parlament Anfragen über Möglichkeiten der Hilfe für die Juden. Da alle anderen Länder ihre Grenzen gegen jüdische Zuwanderer hermetisch abgeschlossen hätten, würde eine Öffnung der niederländischen Grenzen eine "Überschwemmung mit Flüchtlingen"
zur Folge haben. Seine Regierung habe sich zwecks Herbeiführung einer internationalen Regelung an die Regierungen Englands, Frankreichs, der Schweiz und Dänemarks gewendet. Sie selbst wolle mit gutem Beispiel vorangehen und habe das Einreiseverbot bereits gelockert. (AdG, S. 3813-3814)
Juden sind im Falle der Hilfsbedürftigkeit auf die jüdische freie Wohlfahrtspflege zu verweisen. Nur soweit diese nicht helfen kann, greift die öffentliche Fürsorge ein. Die Voraussetzungen sind streng zu prüfen. Eine darüber hinausgehende Hilfe kann nur gewährt werden, wenn sie die Auswanderung fördert oder sonst im öffentlichen Interesse liegt. (RGBl I, S. 1649)
"Wir haben in Deutschland eine Reihe von Fragen gelöst, die wir für akut hielten, - Fragen, von denen wir glaubten, daß, wenn sie nicht gelöst würden, sie eine ständig schleichende Infektion unseres öffentlichen Lebens darstellen würden. Wir haben aus dem deutschen öffentlichen Leben die Juden, die Freimaurer, die Marxisten und politisierende Klerikale beseitigt. Und zwar aus guten Gründen. Nicht aus Bosheit oder aus Rachsucht. Die Juden haben wir beseitigt, weil sie nicht zu unserer Rasse gehören. Die Freimaurer haben wir beseitigt, weil sie internationale und nicht nationale Ziele verfolgen. Die Marxisten haben wir beseitigt, weil ihre Hauptstadt Moskau und nicht Berlin hieß. Und die Klerikalen haben wir aus der Politik beseitigt, weil ihre Hauptstadt Rom und nicht Berlin hieß.
Daß nun die Kreise, die den aus der deutschen Politik beseitigten Kreisen analog sind und die heute noch im Ausland das große Wort führen, diesen Wandel der Dinge nicht mit Vergnügen ansehen, - darüber braucht man sich nicht zu wundern. Sie betrachten unsere innerpolitischen Maßnahmen als einen Angriff auf ihre geheiligten Vorrechte! Vielleicht nicht ohne Grund. Denn sie sagen sich mit Recht: Wenn das Schule macht! Wo kommen wir hin? Erst machen's die Deutschen, morgen machen's die Italiener, übermorgen die Franzosen, vielleicht dann die Engländer... Wo sollen wir hin, wir Juden, wir Freimaurer, wir Marxisten, wir Klerikalisten? Was bleibt uns dann noch übrig? - Sie wollen die übrige Welt vor dieser Reinigung bewahren. Und da sie das so offen nicht zum Ausdruck bringen können, erklären sie einfach, daß diese Reinigungskur eine Infektion sei. Das heißt: Die Bazillen der Infektion nennen die Reinigungskur Infektion! Sie drehen die Dinge um. (...)" (Heiber, Goebbels-Reden I, S. 321.-323)
Das Reichsfinanzministerium erläßt die Erste Durchführungsverordnung über die jüdische "Sühneleistung"
. Abgabepflichtig sind danach deutsche und staatenlose Juden, deren Vermögen nach Abzug der Verbindlichkeiten über 5.000 RM liegt. Die Abgabe beträgt 20 % des Vermögens und wird in vier Teilbeträgen am 15.12.38, am 15.2.39, am 15.5.39 und am 15.8.39 fällig. Die Abgabe hat grundsätzlich durch Barzahlung zu erfolgen. Die Abgabepflichtigen können aber auch verpflichtet werden, Wertpapiere, Schmuck und Kunstgegenstände zu verkaufen. (RGBl I, S. 1638)
Die Freie Stadt Danzig übernimmt, mit einigen Modifikationen, die deutschen Rassengesetze. Die Zahl der in der Stadt lebenden Juden ist bis zu diesem Zeitpunkt durch Auswanderung von 12.000 (1937) auf 4.000 zurückgegangen. (EdH, S. 310)
Premier Chamberlain gibt im Unterhaus das Ergebnis einer Anfrage an die Gouverneure mehrerer Kolonien über Unterbringungsmöglichkeiten für jüdische Flüchtlinge bekannt. Großbritannien habe seit 1933 rd. 11.000 Flüchtlinge aufgenommen und weitere 5.000, die seither nach Übersee emigrierten. Aus den Antworten der Gouverneure von Tanganyika, Kenya, Nordrhodesien und Nyasaland sowie British Guayana ergeben sich jeweils Siedlungsmöglichkeiten in kleinem Umfang, die in Zusammenarbeit mit jüdischen Organisationen teilweise schon erprobt bzw. geplant würden.
"Was Palästina anlangt, so habe es bereits seinen Beitrag geleistet. Nicht weniger als 40% der jüdischen Einwanderer seien während der letzten zwölf Monate aus Deutschland gekommen. Dieses kleine Land allein könne keine Lösung des jüdischen Flüchtlingsproblems bringen."
Innenminister Hoare verweist auf die hohe Bevölkerungsdichte Großbritanniens und die große Zahl von Arbeitslosen. Angst vor einer "Einwanderung großen Maßstabes"
sei weit verbreitet, und es sei eine Tatsache, daß sich unter der Oberfläche eine gewisse antisemitische Bewegung zu bilden beginne. Deswegen müsse er eine Masseneinwanderung von Juden verhindern, die unvermeidlich zum Wachsen dieser Bewegung beitragen würde.
Großbritannien sei aber bereit, Füchtlinge in größerer Zahl ohne individuelle Prüfung aufzunehmen, falls es sich nur um einen vorübergehenden Aufenthalt zur Umschulung z.B. für eine ständige Niederlassung in den Kolonien handeln würde. Die britische Regierung sei auch bereit, jüdische Kinder in britischen Familien aufzunehmen. (AdG, S. 3817)
Der polnische Botschafter in London fordert im Gespräch mit dem britischen Außenminister, Lord Halifax, bei der Diskussion und Beschlußfassung über internationale Maßnahmen zur "Judenfrage"
müsse berücksichtigt werden, daß Polen in dieser Hinsicht vor viel schwierigeren Problemen stehe als Deutschland. Diese hätten sich infolge der Ausweisungen aus Deutschland noch verstärkt. Polnischen Juden sollte deshalb die Einwanderung nach Palästina gestattet werden. (AdG, S. 3818)
Justizminister Pholien gibt bekannt, daß Belgien, das die dichteste Bevölkerung in Europa aufweist, gezwungen sei, die jüdische Einwanderung zu beschränken. Die Zahl der Ausländer habe sich seit der Zeit vor dem Weltkrieg von 255.000 auf 333.00 vermehrt; darunter befänden sich 90.000 Juden. Das Flüchtlingsproblem könne nur auf internationaler Basis geregelt werden. Die belgische Regierung sei bereit, mit anderen Staaten alle Maßnahmen zu erwägen, um das Los der Juden in Deutschland zu erleichtern. (AdG, S. 3818)
Gespräch Hitlers mit dem südafrikanischen Wirtschafts- und Verteidigungsminister Pirow.
Pirow versucht Hitler zu überzeugen, im Interesse einer Verständigung mit Großbritannien an einer erträglichen "Lösung der Judenfrage"
mitzuarbeiten. Dagegen führt Hitler (weitgehend unrichtig) aus: In Deutschland leben 141 Menschen auf dem Quadratkilometer. Neun Zehntel der in Deutschland lebenden Juden seien in den letzten Jahrzehnten aus dem Osten zugewandert. Obwohl sie nichts mitgebracht hätten, besäßen sie noch heute 4,6 mal so viel Vermögen pro Kopf wie ihre Gastgeber, und man verlange nun, daß ihnen dieses erraffte Geld mitgegeben werde.
"Aber das Problem würde in der nächsten Zeit gelöst werden. Dieses sei sein unerschütterlicher Wille. Es sei aber nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches Problem. Die Juden würden eines Tages aus Europa verschwinden."
Pirow trägt als Vorschlag vor: 1) Deutschland brauche keinen Pfennig Devisen zu zahlen, sondern es müßte nur für eine internationale Anleihe zur Finanzierung der jüdischen Auswanderung und Neusiedlung den Zinsendienst in Form von Handelsaustausch übernehmen. 2) Deutschland möge als Siedlungsgebiet eine seiner früheren Kolonien zur Verfügung stellen.
Hitler antwortet darauf rundum ablehnend. (ADAP, Serie D, Bd. IV, Nr. 271)
Artikel der SS-Zeitschrift "Das Schwarze Korps", "Juden, was nun?".
"Hätten wir die Judenfrage schon 1933 total und mit den brutalsten Mitteln gelöst, so wäre das Geschrei auch nicht ärger gewesen, als es seither stetig ist, da wir die Judenfrage Zug um Zug lösen, mit einzelnen Maßnahmen, zu denen die Juden selbst und ihre Freunde uns zwingen."
Deutschland habe aber 1933 nicht die miltärischen Mittel besessen, um sich auf einen internationalen Konflikt um die "Judenfrage"
einzulassen. Das sei heute anders, und keine Macht der Welt könne Deutschland daran hindern, "die Judenfrage nunmehr ihrer totalen Lösung zuzuführen"
.
"Das Programm ist klar. Es lautet: völlige Ausscheidung, restlose Trennung! (...) Die Juden müssen daher aus unseren Wohnhäusern und Wohnvierteln verjagt und in Straßenzügen oder Häuserblocks untergebracht werden, wo sie unter sich sind und mit Deutschen so wenig wie möglich in Berührung kommen. Man muß sie kennzeichnen und ihnen ferner das Recht nehmen, in Deutschland über Haus- und Grundbesitz oder über Anteile an diesem zu verfügen. (...)
Das in jeder Beziehung auf sich beschränkte Parasitenvolk wird aber in dieser Isolierung, da es zu eigener Arbeit weder willens noch fähig ist, verarmen! (...) Und wenn wir, was sich als notwendig erweisen wird, die reichen Juden zwingen werden, ihre 'armen' Rassegenossen zu erhalten, werden sie allesamt, ihrer ureigensten, blutbedingten Veranlagung gemäß, in die Kriminalität absinken. Dann möge aber niemand glauben, daß wir dieser Entwicklung ruhig zusehen können. Das deutsche Volk hat nicht die geringste Lust, in seinem Bereich Hunderttausende von Verbrechern zu dulden, die durch Verbrechen nicht nur ihr Dasein sichern, sondern auch noch Rache üben wollen! (...)
Im Stadium einer solchen Entwicklung ständen wir daher vor der harten Notwendigkeit, die jüdische Unterwelt genau so auszurotten, wie wir in unserem Ordnungsstaat Verbrecher eben auszurotten pflegen: mit Feuer und Schwert. Das Ergebnis wäre das tatsächliche und endgültige Ende des Judentums in Deutschland, Seine restlose Vernichtung."
Die am 9. November und den folgenden Tagen festgenommenen Juden, soweit sie arbeitsfähig sind und unter 60 sind, sollen in das nächstgelegene Konzentrationslager verlegt werden. (Walk, S. 259)
Alle im Zusammenhang mit dem 9. November festgenommenen Juden, die Frontkämpfer im Weltkrieg waren, sind freizulassen. (Walk, S. 260)
Bericht des Leiters der Polit. Abt. im Auswärtigen Amt, Woermann:
Der amerikanische Geschäftsträger Gilbert habe ihm heute mitgeteilt, er sei von seiner Regierung beauftragt, "auf das Gespräch zurückzukommen, das der Herr Reichsminister (Außenminister Ribbentrop) kürzlich mit Botschafter Wilson über eine Verbindung mit Rublee (vom Evian-Komitee) gehabt habe. (...) Die Sache werde immer eiliger, da das in London eingesetzte Regierungskomitee demnächst eine Sitzung abhalten müsse."
Er habe Gilbert gesagt, es könne sich nur um eine private Fühlungnahme handeln; dazu gebe es bereits eine private deutsche Initiative. Möglicherweise werde demnächst an einem neutralen Ort ein Gespräch zwischen einem Deutschen und Rublee's Mitarbeiter Pell stattfinden. Es müsse aber "unter allen Umständen verhindert werden (...), daß über diese private erste Fühlungnahme irgendetwas in der Presse verlaute. (...) Ich könnte ihm versichern, daß die ganze Angelegenheit sofort ins Wasser falle, wenn irgendwelche Indiskretionen begangen würden."
(ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 651)
Gegen die Juden wird am "Tag der Nationalen Solidarität"
(3. Dezember) eine totale Ausgangssperre zwischen 12 und 20 Uhr verhängt, während der sie ihre Wohnungen nicht verlassen dürfen.
Die Maßnahme wird insbesondere damit begründet, daß an diesem Tag die NS-Führer auf Straßen und Plätzen für das Winterhilfswerk sammeln werden.
Der australische Innenminister gibt bekannt, daß sein Land in den nächsten drei Jahren 15.000 Flüchtlinge aus Europa aufnehmen werde. Jeder Einwanderer müsse über ein "Landungsgeld"
von 200 Pfund verfügen oder eine Garantie für seinen Lebensunterhalt durch eine Person oder eine Organisation in Australien nachweisen können. (AdG, S, 3827)
Der deutsche Botschafter in London, Dirksen, übermittelt an Unterstaatssekretär Woermann vom Auswärtigen Amt einen Bericht über ein Gespräch des deutschen Journalisten Abshagen mit Pell, dem Vertreter Rublees im Evian-Komitee. (zum Hintergrund: s. Bericht Woermanns vom 28.11.38)
"Die Polnische Regierung sei in Sachen der polnischen Juden jetzt außerordentlich rührig und übe gewissermaßen eine Erpressung aus. Sie habe sowohl in Washington wie im Haag und auch hier Vorstellungen in dem Sinne erheben lassen, daß sie eine Regelung der Frage betreffend der aus Deutschland mit Ausweisung bedrohten polnischen Juden fordere, bevor die Flüchtlingsfrage der aus Deutschland auswandernden Juden in Angriff genommen würde. Erfolge nicht eine sofortige Regelung der polnischen Judenfrage, so würde die polnische Bevölkerung derartig in Erregung geraten, daß mit umfangreichen Judenverfolgungen auch in Polen zu rechnen sein würde."
Der amerikanische Außenminister Hull habe sich, lt. Pell, gegenüber diesem polnischen Vorstoß sehr scharf ablehnend geäußert. Die Politik der polnischen Regierung während der letzten Wochen habe in den USA und Großbritannien stärkste Mißbilligung ausgelöst. (...) "Mr. Pell meinte, die Polnische Regierung werde es noch einmal bitter bereuen, eine solche Politik getrieben zu haben; wenn einmal eine deutsch-polnische Auseinandersetzung sich ergeben würde, so würde kein Menschen einen Finger rühren, um Polen zu helfen."
(ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 652)