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Anfang Januar 1938

Erlaß des Reichswirtschaftsministeriums (nicht veröffentlicht)

Die Einfuhrquoten und Devisenzuteilungen für jüdische Firmen werden gekürzt oder gestrichen. Ihre Erzeugungsquote und Rohstoffzuteilungen für den innerdeutschen Wirtschaftsverkehr werden um 10% herabgesetzt. (Walk, S. 210)

Januar 1938

Leitartikel Streichers im "Stürmer"

"Als der Stürmer vor einigen Jahren davon sprach, daß die Verbringung der Juden nach der französischen Kolonialinsel Madagaskar eine Möglichkeit zur Lösung der Judenfrage darstelle, wurden wir von Juden und Judengenossen verhöhnt und als unmenschlich erklärt. Heute hat unser Vorschlag bereits Eingang in die Gedankenwelt auswärtiger Staatsmänner erhalten. So meldete die Tagespresse, daß bei den Besprechungen, die der französische Außenminister Delbos in Warschau hatte, auch die das polnische Volk schwer bedrückende Judenfrage zur Erörterung kam. Dabei soll auch die Rede davon gewesen sein, ob nicht vielleicht ein Teil des jüdischen Überflusses aus Polen nach Madagaskar abgeleitet werden könne.

Sei dem, wie es wolle: das neue Deutschland befindet sich auf einem Weg, der zur Erlösung führt. Und über das erlöste Deutschland hinweg wird sich die Welt erlösen. Erlösen vom ewigen Juden!" (Der Stürmer, Nr. 1/1938; IMT, Streicher-13)

01.01.1938

Juden dürfen nicht mehr Mitglieder des Deutschen Roten Kreuzes sein. (Walk, S. 209)

04.01.1938

Erlaß des Wirtschaftsministeriums. (Nicht veröffentlicht)

Der Gewerbebetrieb einer Einzelfirma gilt als jüdisch, wenn der Inhaber Jude ist; der einer offenen Handels- oder einer Kommanditgesellschaft, wenn ein persönlich haftender Gesellschafter Jude ist. Der Gewerbebetrieb einer juristischen Person gilt als jüdisch, wenn sich unter ihren gesetzlichen Vertretern Juden befinden, wenn mehr als ein Viertel der Aufsichtsratsmitglieder Juden sind, oder wenn Juden nach Kapital oder Stimmrecht in solchem Maß beteiligt sind, daß ohne ihre Zustimmung Beschlüsse des obersten Verwaltungsorgans (Hauptversammlung usw.) nicht gefaßt werden können. (Walk, S. 210)

05.01.1938

Himmler ordnet an, alle Juden sowjetischer Staatsangehörigkeit innerhalb von 10 Tagen auszuweisen. Aufschub ist nicht zu gewähren. Ausgenommen sind Inhaber von Diplomatenpässen. (Walk, S. 211)

Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen.

Eine Namensänderung, die vor dem 30.1.33 genehmigt worden ist, kann bis Ende 1940 widerrufen werden, wenn sie nicht erwünscht ist. Durch den Widerruf verlieren auch diejenigen Personen den Namen, die ihr Recht zur Führung des Namens von den Personen ableiten, deren Namen geändert worden ist. (Ehefrauen, Nachkommen). (RGBl I, S. 9f.)

Ein Erlaß des Reichsinnenministers vom 8. Januar stellt klar, daß Namensänderungen von Juden oder jüdischen Mischlingen grundsätzlich zu widerrufen sind, da sie zur Verschleierung der Abstammung beitragen. Umgekehrt sollen Umbenennungen von "Ariern", die als jüdisch geltende Namen hatten, grundsätzlich bestätigt werden. (Walk, S. 212)

Oberschlesien

Der Zeitpunkt für das Inkrafttreten der Bestimmungen über die Entlassung von Beamten, die jüdische Mischlinge sind, und über die Entziehung der Zulassung von Rechtsanwälten, Patentanwälten, Kassenärzten, Zahnärzten und Dentisten, die Juden oder jüdische Mischlinge sind, wird vom 31.12.37 auf den 31.3.38 verschoben. (RGBl I, S. 11)
Bis dahin hatte ein, nun abgelaufenes, deutsch-polnisches Minderheitenschutz-Abkommen die Juden in Oberschlesien vor gesetzlicher Diskriminierung geschützt.

14.01.1938

Palästina

Bericht des deutschen Generalkonsuls in Jerusalem, Döhle, an das Ausw. Amt:

Ihm sei am 4. Juni 1937 mitgeteilt worden, "daß die Bildung eines Judenstaates nicht im deutschen Interesse liege und daher ein deutsches Interesse an der Stärkung des Arabertums als Gegengewicht gegen einen Machtzuwachs des Judentums bestehe."
Die in Aussicht gestellte Entscheidung über wirtschaftliche und politische Maßnahmen auf dem Gebiet der jüdischen Auswanderung sei aber bisher nicht erfolgt.

Auf die Gefahr eines Sympathieverlusts in der arabischen Welt habe er bereits hingewiesen. Die Araber Palästinas hätten auf aktive Unterstützung von deutscher Seite gerechnet und seien durch deren Ausbleiben enttäuscht. Ein weiteres Hinauszögern einer Entscheidung oder eine Bekräftigung der bisherigen Politik könnte "bei den Arabern eine Stimmung schaffen, die es uns schwer macht, später die jetzige günstige Einstellung wieder herzustellen."

Der Leiter der Politischen Abteilung VII des AA, Hentig, merkte dazu (undatiert) an: Die Frage des Haavara-Abkommens sei in erster Linie wirtschaftlicher Natur; ihre Beurteilung sei daher in erster Linie Sache der zuständigen Wirtschaftsstellen. Was die politische Seite betreffe, sei er der Meinung, daß es für die Frage des Abkommens ausschlaggebend sei, ob die Auswanderung der Juden fortgesetzt oder eingestellt werden solle. Die Aussichten für die Errichtung eines jüdischen Staates seien jedenfalls ganz gering; aber selbst wenn dies anders wäre, würde die Abdrosselung der jüdischen Auswanderung aus Deutschland nur Platz für die ostjüdische Emigration nach Palästina schaffen.

Hentig sprach sich schließlich dafür aus, diese Erwägungen zur Kenntnis der höchsten politischen Leitung (d.h. Hitlers) zu bringen und um eine Entscheidung zu bitten. (ADAP, Serie D, V, Nr. 577 und Fußnote)

18.01.1938

Der Reichserziehungsminister ordnet an, daß jüdische Schüler die Reifeprüfung nur noch an jüdischen Privatschulen unter staatlicher Aufsicht ablegen dürfen. Im Zeugnis muß vermerkt werden, daß der Schüler eine jüdische Schule besucht hat. (Walk, S. 212)

22.01.1938

Rumänien

Das "Gesetz über die Überprüfung der Staatsbürgerschaft" wird verkündet. Staatsbürger soll danach nur sein, wer nachweisen kann, daß er schon am 1.12.1918 in Rumänien ansässig war oder von Eltern abstammt, die zu dieser Zeit ansässig waren. Das Gesetz trifft vor allem die Bewohner der erst nach dem ersten Weltkrieg zu Rumänien gekommenen Gebiete.

Juden dürfen keine Devisen für Reisen ins Ausland erhalten. An öffentlichen Schulen darf kein jüdischer Religionsunterricht mehr erteilt werden. Jede Unterstützung der jüdischen Regligionsgemeinschaft aus Etatmitteln wird eingestellt. Jüdische Ärzte dürfen nicht mehr für die Krankenkassen arbeiten. (AdG, S. 3392-3393)

Aus einer Anfang Juni 1938 veröffentlichten amtlichen Statistik geht hervor, daß insgesamt fast  400.000 Juden unter diese "Überprüfung der Staatsbürgerschaft" fielen, davon rund 315.000 aus den nach dem Krieg angeschlossenen Gebieten und annähernd  80.000 aus Altrumänien. (AdG, S. 3589)

Anfang Oktober 1938 wurden alle aus den Staatsbürgerlisten gestrichenen Juden unter Fremdengesetzgebung gestellt. Sie mußten alle drei Monate die Erneuerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Personen, die schon vor 1918 in Rumänien ansässig waren, mußten diesen Eintrag einmal im Jahr stellen. (AdG, S. 3755)

27.01.1938

Aufzeichnung von Legationsrat Clodius, Handelspolitische Abteilung (HPA) des Auswärtigen Amtes

Die HPA habe in den Besprechungen der letzten Jahre stets den Standpunkt vertreten, daß das Haavara-Abkommen in der vorliegenden Form aus politischen und wirtschaftlichen Gründen nicht aufrechtzuerhalten sei. Vom Wirtschaftsministerium und von der Reichsstelle für Devisenbewirtschaftung sei vertreten worden, die Beseitigung der Mißstände könne durch eine Änderung des Abkommens erreicht werden, während die NSDAP-Auslandsorganisation (AO) die Aufgabe des Haavara-Systems insgesamt forderte.

In Besprechungen der letzten Tage habe sich herausgestellt, daß jetzt auch das Wirtschaftsministerium der Auffassung zuneige, es sei zweckmäßiger, das Haavara-Abkommen ganz aufzuheben und durch ein anderes Verfahren zu ersetzen. Bald nach dem 1. Februar solle eine Besprechung darüber zwischen der HPA, dem Reichswirtschaftsministerium und der AO statffinden.

Die Beteiligten stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, "daß der generellen Weisung des Führers, die Judenauswanderung aus Deutschland mit allen Mitteln zu fördern, nicht entsprochen werden kann, wenn Palästina in dieser Beziehung ausgeschaltet wird. Es besteht nicht die Möglichkeit, nach irgendeinem Lande der Welt zu für uns wirtschaftlich gleich günstigen Bedingungen die Abwanderung der Juden zu fördern. Dazu kommt die vor allem von der HPA vertretene Auffassung, daß die ausgewanderten Juden uns überall sonst in der Welt, insbesondere an allen internationalen Handelsplätzen, wirtschaftlich, propagandistisch und journalistisch sehr viel mehr schaden können, als gerade in Palästina, wo eine Aktionsmöglichkeit in dieser Beziehung so gut wie gar nicht vorhanden ist."

Aus der Feststellung, daß die Bildung eines jüdischen Staates unerwünscht sei, gehe nicht automatisch eine Entscheidung über die jüdische Auswanderung nach Palästina hervor. Hitler habe gerade eben erst wieder "nochmals entschieden, daß die Judenauswanderung aus Deutschland weiterhin mit allen Mitteln gefördert werden soll. Dabei ist auch die bisher vielleicht noch bestehende Unklarheit, ob nach Ansicht des Führers diese Auswanderung sich in erster Linie nach Palästina zu richten habe, in positivem Sinne beseitigt worden." (ADAP, Serie D, Bd. V, Nr. 579)


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