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04.08.1935
Rede von Goebbels auf dem Parteitag der NSDAP Gau Essen:
Die Auslandspresse versuche immer wieder, "aus den Gesundungserscheinungen des deutschen öffentlichen Lebens eine Krise zu machen (...), insbesondere, wenn es sich hierbei um Juden handle. Der Minister erinnerte hierbei an die jüdische Protestaktion gelegentlich der Aufführung eines Films (in Berlin) und betonte, daß nunmehr der Augenblick gekommen sei zu sagen: 'Bis hierher und nicht weiter'. - Man werde in Deutschland nicht müde werden, das deutsche Volk über die Gefährlichkeit dieser internationalen Rasse aufzuklären. Auch Eheschließungen zwischen Deutschen und Juden würden in Zukunft nicht mehr geduldet werden." (AdG, S. 2166)
06.08.1935
Der von Goebbels Ende Mai ernannte Sonderbeauftragte für die Überwachung der geistigen und kulturellen Tätigkeiten der deutschen Juden, Hinkel, ordnet an, daß sämtliche jüdischen Kulturorganisationen sich dem "Reichsverband jüdischer Kulturbünde" anschließen müssen, dessen Leitung ihm unterstellt ist. Nur Mitglieder des Reichsverbands dürfen aktiv oder als Zuschauer an jüdischen kulturellen Veranstaltungen teilnehmen; es darf für diese nur in jüdischen Zeitungen geworben werden. (AdG, S. 2185)
18.08.1935
Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister Schacht äußert in einer Rede auf der Königsberger Ostmesse Kritik an radikalen Methoden der nationalsozialistischen "Judenpolitik"
.
"Mit entwaffnend richtigen Schlagworten"
könne der Wirtschaftspolitiker für seine Arbeit wenig anfangen. Die deutsche Wirtschaft müsse von Beunruhigung freigehalten werden. Wer in die Finanz- und Wirtschaftspolitik störend eingreife, sei "ein Schädling"
. Leider sei dieses Bewußtsein noch nicht bei allen Volksgenossen vorhanden. Außer den 10% Unbelehrbaren, bewußten Opponenten und Saboteuren gebe es noch Leute, die die Erklärungen der maßgebenden Stellen nicht beachteten.
Niemand in Deutschland sei rechtlos. Die Gesetzgebung zur Regelung der "Judenfrage"
sei in Vorbereitung und müsse abgewartet werden. Bis dahin seien die bestehenden Gesetze zu achten. Jede Störung der Wirtschaft, von welcher Seite sie auch kommen möge, wirke wie Sand in der Maschine. Es sei unerläßlich, daß das Vertrauen in Deutschland als Rechtsstaat unerschüttert bleiben müsse. Das Gleiche gelte bezüglich der Kirchenfrage, die für Deutschland von noch viel größerer Bedeutung sei als die Judenfrage. (AdG, S. 2194; Barkai, S. 71)
Alle Freimaurerlogen, die bisher noch nicht selbst ihre Auflösung beschlossen hatten, werden verboten und ihr Vermögen wird beschlagnahmt. (AdG, S. 2185)
20.08.1935
Wirtschaftsminister Schacht übt in einer interministeriellen Chefbesprechung Kritik an antijüdischen "Einzelaktionen"
einiger Parteistellen, insbesondere am Herausgeber des "Stürmers"
und Gauleiter in Franken, Julius Streicher. "Angesichts der zunehmenden radikalen Tendenz der Judenpolitik"
könne er die Erreichung der von Hitler gesetzten wirtschaftlichen Ziele - Arbeitsbeschaffung und Aufbau der Wehrmacht - nicht mehr gewährleisten.
Innenminister Frick unterstützt Schachts Kritik in der Tendenz. Er kündigt entsprechende gesetzgeberische und verwaltungsmäßige Maßnahmen an und droht schärfstes Vorgehen der Polizei gegen "illegale Einzelaktionen"
an.
Der Staatsminister und bayerische Gauleiter Wagner erklärt die unkontrollierten antijüdischen Übergriffe damit, daß 80 Prozent des deutschen Volkes nach einer "Lösung der Judenfrage"
im Sinne des NSDAP-Programms drängten. Die Reichsregierung müsse der antisemitischen Stimmung der Bevölkerung durch legale Maßnahmen Rechnung tragen. Wagner schlägt vor: 1. Gesetzliche Festschreibung des (tatsächlich bereits praktizierten) Ausschlusses jüdischer Firmen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. 2. Verbot der Neugründung jüdischer Geschäfte.
Justizminister Gürtner warnt, daß jede Anordnung von Staat oder Partei so lange wirkungslos bleiben müsse, wie im Volk der Glaube genährt werde, daß die leitenden Stellen es nicht ungern sähen, wenn ihre einschränkenden Anordnungen übertreten würden, da sie nur aus politischen Rücksichten nicht so handeln könnten, wie sie gern wollten. Besonders verwerflich sei, wenn auch Gemeinden sich über Anordnungen der Regierung hinweg setzten.
Staatssekretär von Bülow (Auswärtiges Amt) warnt, daß die "Ausschreitungen unverantwortlicher Stellen gegenüber den Juden"
eine erhebliche Belastung der deutschen Außenpolitik bedeuten. Besonders angesichts der im nächsten Jahr anstehenden Olympiade, "die in ihrer außenpolitischen Bedeutung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden dürfe"
, müßten Vorfälle wie kürzlich auf dem Berliner Kurfürstendamm vermieden werden. Die Ausschaltung der Juden aus der deutschen Wirtschaft könne auf deutsche Geschäftsleute im Ausland zurückschlagen. Jedenfalls müsse "zuvor sorgfältig geprüft werden, ob der innenpolitische Erfolg nicht durch die außenpolitischen Nachteile aufgewogen werde"
.
Als Konsens der Besprechung ergibt sich, daß einerseits die "uferlose Ausdehnung antisemitischer Betätigung unverantwortlicher Organisationen bzw. Privater auf alle möglichen Lebensgebiete"
durch gesetzliche Maßnahmen unterbunden werden soll. Andererseits soll die Sondergesetzgebung gegen die Juden, vor allem auf wirtschaftlichen Gebieten, weiter ausgebaut werden. (Bundesarchiv Koblenz, R 18/5513 - Reichsministerium des Innern, Handakten Bernhard Lösener; Barkai, S. 72; Aufzeichnung von Legationsrat Röhrecke, ADAP..., Nr. 268)
23.08.1935
Schreiben des Reichsorganisatorsleiters Ley an die Dienststellen der Deutschen Arbeitsfront:
"Der Stürmer gibt zum Reichsparteitag eine Sondernummer heraus, betitelt: 'Menschenmörder von Anfang an'. - In dieser Ausgabe sind die jüdischen Revolutionen vom Altertum bis zur Jetztzeit und insbesondere der Marxismus von Karl Marx bis zur 'Komintern' erschöpfend behandelt. Diese Sondernummer ist möglichst jedem Angehörigen der Deutschen Arbeitsfront in die Hand zu geben. Die Dienststellen der Deutschen Arbeitsfront werden deshalb angewiesen, für weitgehendste Verbreitung der betreffenden Stürmer-Sondernummer in den Betrieben usw. Sorge zu tragen." (IMT, Dok. Streicher 20)