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03. - 06.10.1933
Internationale Politik
Debatte im politischen Ausschuß des Völkerbundes über Minderheitenpolitik:
Der deutsche Vertreter bringt einen Antrag zum Minderheitenschutz ein. Auf Vorhaltungen wegen der Diskriminierung der Juden in Deutschland erklärt von Keller, die "Judenfrage"
sei "ein besonders gelagertes Rasseproblem, das nicht ohne weiteres mit der Minderheitenfrage in Verbindung zu bringen sei. Die Juden seien in Deutschland weder eine sprachliche noch eine nationale Minderheit, fühlten sich nicht als solche und wünschten nicht, als solche behandelt zu werden. Die religiöse Frage spiele keine Rolle. In Deutschland handle es sich um ein bevölkerungspolitisches und soziales Problem, das durch die Zuwanderung von Juden aus Osteuropa besonders verschärft wurde. Die Judenfrage sei ein Problem 'sui generis', das einer besonderen Lösung bedürfe. Auch eine Reihe außerdeutscher Länder suche eine solche Lösung."
Der britische Delegierte erwidert, die deutschen Ansichten über Minderheiten seien für die britische Regierung nicht annehmbar. Er kritisiert den Anspruch der Reichsregierung, die Interessen von Deutschen in anderen Ländern als ihre eigenen zu betrachten. - Zur deutschen Behauptung, daß die Juden nicht als Minderheit zu betrachten seien, erklärt der britische Vertreter, daß die Juden in Deutschland zwar weder eine sprachliche noch eine nationale Minderheit seien und auch in der Ausübung der Religion nicht behindert würden, daß aber die englische Regierung dennoch die Juden sowohl in Deutschland wie auch in anderen Ländern entschieden als Minderheit betrachten müsse. Wenn der deutsche Delegierte mit Bezug auf die Deutschen in der Tschechoslowakei und anderen Ländern den Rassenstandpunkt hervorkehre, könne er nicht gleichzeitig hinsichtlich der Juden den entgegengesetzten Standpunkt einnehmen.
Der französische Vertreter führt aus, die Juden seien sich tatsächlich selbst nicht darüber einig, ob sie eine Minderheit seien oder nicht. Die französischen Juden betrachteten sich in erster Linie als Franzosen, und in früheren Zeiten hätten sich die deutschen Juden sicher als Deutsche bezeichnet. Die Juden würden jedoch zur Minderheit, sobald sie durch Gesetze diskriminiert würden. Diese Minderheit verdiene die gleiche Rücksicht wie jede andere. Er beantragt daher, daß die Kommission die Völkerbund-Resolution vom September 1922 (über den Minderheitenschutz) wiederholen und bekräftigen solle.
Dieser französische Antrag wird abschließend in zwei Teilen behandelt. Die Empfehlung selbst wird einstimmig bekräftigt, wobei Deutschland den Vorbehalt der Anwendung nur auf die "eigentlichen"
Minderheiten (also nicht auf die Juden!) macht. Der zweite Absatz, der den Ausschluß gewisser Kategorien vom Minderheitenschutz verurteilt, wird von Deutschland abgelehnt, von allen übrigen Ländern angenommen, wobei Italien und Ungarn den Vorbehalt der Nichteinmischung in innere Verhältnisse machen. (AdG, S. 1064ff)
04.10.1933
Schriftleitergesetz
Schriftleiter ist, wer im Hauptberuf "an der Gestaltung des geistigen Inhalts"
von Zeitungen und politischen Zeitschriften mitwirkt. Voraussetzung, um Schriftleiter zu sein, ist u.a.: die deutsche Reichsangehörigkeit; "arische Abstammung"
(im Sinne des Beamtengesetzes); keine Ehe mit einer Person von "nichtarischer Abstammung."
Übergangsmaßnahmen für jüdische Weltkriegsteilnehmer und gesonderte Zulassung von "Nichtariern"
nur für die Handelsredaktionen sollen noch geregelt werden. (RGBl I, S. 713ff)
14.10.1933
Internationale Politik
Hitler gibt bekannt, daß Deutschland die Genfer Abrüstungskonferenz verläßt und aus dem Völkerbund austritt. Er kündigt - "um dem deutschen Volk Gelegenheit zu geben, selbst zu den Schicksalsfragen der deutschen Nation Stellung zu nehmen"
- die Auflösung des Reichstages und Neuwahlen für den 12. November 1933 an. Auf den Wahlzetteln wird nur die NSDAP stehen. Zugleich werden alle Landtage aufgelöst, ohne daß Neuwahlen stattfinden sollen.
Erlaß des Preußischen Innenministers
In einem Erlaß des Preußischen Innenministers wird die Vollstreckung der "Schutzhaft"
geregelt. Aus politischen Gründen inhaftierte Personen sind demnach gründsätzlich in staatlichen Konzentrationslagern unterzubringen. Staatl. KL sind: Papenburg, Sonnenburg, Lichtenburg, Brandenburg, die Provinziallandesanstalt Brauweiler bei Köln und das Provinzialwerkhaus Mohringen bei Hannover.
Nach amtlichen Angaben befinden sich Ende Oktober 1933 etwa 22.000 Personen in "Schutzhaft"
.
18.10.1933
Erlaß des Preußischen Wissenschaftsministers
Nichtarischen und mit nichtarischen Personen Verheirateten wird die Habilitation versagt. Die Lehrbefugnis erlischt, wenn sich ein Privatdozent mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet. (Walk, S. 56)
21.10.1933
Erlaß des Reichswirtschaftsministers und Reichsarbeitsministers
Einflußnahmen außerbetrieblicher Stellen auf die Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern, etwa wegen deren Rassenzugehörigkeit, stehen im Widerspruch zu Verlautbarungen der Reichsregierung. (Walk, S. 57)